RAMPIG
Theater Performance Kunst

Faust Vol. 1

Juli 2010 Haus der Jugend Heidelberg
Dezember 2010 zwinger1 Heidelberg

25 Darsteller*innen und Künstler*innen nutzen in experimenteller Art den Bühnenraum, um sich mit der Geschichte des erkenntnissuchenden Heinrich Faust auseinanderzusetzen und gleichzeitig die Konstrukte der Kultur und des Theaters kritisch zu analysieren.

Der literarische Text wurde dabei nicht nur untersucht, seine Tauglichkeit in der Gegenwart wurde unbedacht seiner Bedeutungsschwere in Frage gestellt, neu geordnet, durch zeitgenössische Texte ersetzt. Die Produktion vereint Rauminstallation, Videoperformance, Performance, Spiel und Improvisation. Die tradierten Grenzen einer Theateraufführung wurden dadurch aufgehoben: die Zuschauer*innen erwartete eine avantgarde Kunstaktion, die aus FAUSTSPIEL, FAUSTSHOP und den FAUSTORTEN bestand.

In einem zugleich aggressiven wie poetischen FAUSTSPIEL stehen zwei Figuren im Zentrum: Faust und Greta. Faust, der gerade 23 geworden ist, sucht nach einem Ziel in seinem Leben. Er will die Welt verändern, ist aber handlungsunfähig. Faust schwankt zwischen dem Opportunismus des bequemen Lebens und Revolution gegen die bestehenden Gesellschaftsstrukturen. Seine Tragödie beruht auf der von Anfang an zum Scheitern verurteilten Erkenntnissuche nach dem Sinn des Lebens. Greta dagegen formuliert den Sinn des Lebens in klaren Worten einer 18jährigen – sie möchte glücklich sein. Sie ist schön, sexy und intelligent. Greta gestaltet ihr Leben alleine und unbedarft. Beide sind ein lebendiger Beweis dessen, dass die Erkenntnissuche keine Frage des Alters ist. Sie formulieren die Existenzängste der heutigen Generation. Sie stehen exemplarisch für Zustandbeschreibung einer unglücklichen Jugend ohne Revolution und ohne Ziele.

Das FAUSTSPIEL bedient sich einerseits des schonungslosen psychologischen Schauspiels, andererseits der Performance. Die Darsteller*innen wechseln permanent zwischen der literarisch konstruierten Figur und ihrer eigenen Persönlichkeit. Ausgehend von der Geschichte der Faust-Theaterinszenierungen und Faust-Rezeption in der bildenden Kunst, die erschlagend umfassend ist, beruht die Inszenierung auf der Spannung zwischen der Verwertung des bekannten Materials, seiner Neueinordnung und der inhaltlichen Auseinandersetzung. Die Überspitzung dieses Vorgangs mündet in einem FAUSTSHOP, der ähnlich einem Souvenirladen die Hochkultur in einen kitschigen Popzirkus verwandelt.

Jeder der FAUSTORTE erinnert an ein Zimmer der 1960er Jahre. Das Publikum wird dazu eingeladen an den FAUSTORTEN Platz zu nehmen und diese als Studienort zu nutzen. Ausgestattet mit mannigfaltigen Mitteln der Recherche wie Bücher, Ton- und Filmmaterial sowie Internet, verleihen die FAUSTORTE den Zuschauer*innen eine ungewöhnliche Rolle und fordern zur eigenen Recherche und Partizipation auf. Jedem der Zuschauer*innen mit seinem bereits vorhandenen oder während der Aufführung neu erworbenen Wissen ermöglicht dies einen individuellen Zugang und eine eigene Interpretation der Theateraufführung. Die FAUSTORTE sind in diesem Sinne Zuschauer- und Bühnenraum zugleich.

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